Nutzen: Nutzenfunktionen

Nutzen: Nutzenfunktionen
Nutzen: Nutzenfunktionen
 
Um zu beschreiben, wie Konsumenten zwischen verschiedenen Konsummöglichkeiten wählen, haben Ökonomen bereits im 19. Jahrhundert den Begriff Nutzen eingeführt. Mithilfe dieses Begriffs konnten sie die Nachfragekurve erklären und ihre Merkmale ableiten. Was aber bedeutet der Begriff Nutzen ökonomisch? Nutzen steht für den Grad der Bedürfnisbefriedigung. Der Nutzen drückt die Vorlieben oder subjektiven Wertschätzungen (Präferenzen) des Konsumenten für bestimmte wirtschaftliche Güter (Waren oder Dienstleistungen) als numerische Größe aus. Wenn der Konsument verschiedene Güterbündel anhand seiner Präferenzen vollständig ordnen kann, so beschreibt diese Präferenzordnung seine Nutzenfunktion. Die Existenz einer Nutzenfunktion, die die Präferenzordnung des Konsumenten repräsentiert, ist jedoch nicht immer gesichert.
 
 Geschichte der Nutzentheorie
 
Nach den Ansichten neoklassischer Ökonomen der Grenznutzenschule wie William Stanley Jevons (1835-1882) stellt der Nutzen eine seelische Realität dar, die auf einer Skala kardinal quantifiziert und direkt wie z. B. Länge oder Temperatur gemessen werden kann. Die gossenschen Gesetze sind die inhaltliche Umsetzung der kardinalen Nutzentheorie. Sie wurden von dem deutschen Ökonomen Hermann Heinrich Gossen (1810-1858) formuliert. Aufgrund der dadurch bestimmbaren Nutzendifferenzen wird auch der Grenznutzen, das heißt der Nutzen, den eine zusätzliche Einheit stiftet, absolut messbar. Heute folgt man der besonders von dem italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto (1848-1923) vertretenen modernen Nutzentheorie, der die Annahme der kardinalen Messbarkeit des Nutzens zu streng war. Wie sollte ein Konsument in der Lage sein, die genaue Nutzendifferenz z. B. zwischen einem Teller Nudeln und einem Paar Schuhe anzugeben? Da zur Herleitung der Nachfragekurve einfachere Annahmen an die Präferenzen ausreichend sind, werden den Präferenzskalen nur ordinale Eigenschaften abverlangt: Wichtig ist allein, ob der Konsument bestimmte Güterbündel anderen vorzieht.
 
 Annahmen an die Präferenzen
 
Um die Präferenzen des Konsumenten in Nutzenfunktionen übersetzen zu können, müssen sie folgende Annahmen erfüllen: Die Annahme der Vollständigkeit schließt aus, dass sich ein Konsument zwischen zwei alternativen Güterbündeln nicht entscheiden kann, weil er sich noch keine Gedanken gemacht hat. Bedenkt man die riesige Anzahl an Gütern, so ist das in der Tat eine starke Forderung. Es ist jedoch möglich, die Menge der Güter auf die tatsächlich mit dem Budget des Haushalts erreichbaren einzuschränken. Weiter wird vorausgesetzt, dass die Konsumgüterbündel in eine widerspruchsfreie Rangordnung gebracht werden. Sind Vollständigkeit und Transitivität der Präferenzen erfüllt, so spricht man von einer Präferenzordnung. Über sie ist es möglich, in jeder Menge von Konsumgüterbündeln eine »beste Alternative« zu identifizieren, die mindestens ebenso hoch bewertet wird wie jede andere betrachtete Alternative. Die Stabilität der Präferenzen in einem Betrachtungszeitraum ist notwendig, um testbare Hypothesen über das Verhalten der Konsumenten abzuleiten. Wären die Präferenzen nicht stabil, könnte jeder Verstoß gegen die Aussagen der Theorie mit einer Präferenzänderung begründet werden. Nichtsättigung bedeutet, dass für den Konsumenten von jedem Gut »mehr« besser ist als »weniger«.
 
 Indifferenzkurven
 
Eine Indifferenzkurve ist der geometrische Ort aller Kombinationen von zwei Gütern, die dem Haushalt jeweils den gleichen Nutzen stiften, zwischen denen er folglich indifferent ist. Man sagt auch, die Güterbündel gehören zu einer Indifferenzklasse. Indifferenzkurven, die zu verschiedenen Indifferenzklassen gehören, können sich niemals schneiden. Die Form der Indifferenzkurven kommt durch die Annahme zustande, dass der Haushalt eine ausgewogene Mischung der beiden Güter, z. B. Kuchen und Kaffee, den beiden Extremen vorzieht. Die Kurven sind daher zum Koordinatenursprung »gebogen« (konvex). Die Annahme der Konvexität der Indifferenzkurven wird oft als Gesetz der abnehmenden Grenzrate der Substitution bezeichnet: Mit steigender Menge Kuchen nimmt die Menge von Kaffee, die das Individuum für ein Mehr an Kuchen aufzugeben bereit ist, immer mehr ab. Je weiter außen eine Kurve liegt, desto höher ist das erreichte Nutzenniveau. Die Indifferenzkurven werden auch als Nutzenindexfunktionen bezeichnet, da sie die Rangfolge von Nutzenniveaus anzeigen. Die Nutzenfunktion bildet die Präferenzstruktur des Haushaltes ab, indem allen Elementen einer Indifferenzklasse (allen Punkten einer Indifferenzkurve) dieselbe, höheren Indifferenzklassen jedoch höhere Zahlen zugeordnet werden. Die erste partielle Ableitung der Nutzenfunktion drückt den Grenznutzen dieses Gutes aus. Der Grenznutzen bestimmt den Preis, den der Konsument zu zahlen bereit ist. Sind Güter im Überfluss vorhanden, sozusagen wie Sand am Meer, so ist ihr Grenznutzen gering, ebenso wie ihr Preis.

Universal-Lexikon. 2012.

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